Original Einkaufsziel
Das Quartier
Lageplan
Termine
Home
Das Quartier in Wort und Bild   Suchen Webcam am Kirchplatz

Cord Machens: "James Rizzi in Braunschweig - Glücksfall oder Fehlbesetzung"

Entwurf einer Collage

Der Beitrag des Rizzi Hauses

Das "Happy Rizzi House" will mit zwei Baukörpern die Stadtcollage ergänzen. Ein Signal direkt am Ackerhof, die Hälfte von Ungers Stadttoridee ist immer noch richtig und wünschenswert. Nicht so eindeutig richtig ist der flachere dreigeschossige Riegel. Seine Stellung - entlang dem Friesenstrassenrest ist nur auf den ersten Blick einleuchtend, dieser kurze Stich strahlt nicht über die Eckertstrasse hinaus. Die vorgeschobene historische Kontinuität hat mit dem Collage-Gedanken wenig zu tun. Die Lage des Riegels ist halbherzig, weder Rekonstruktion noch Neubeginn, vielleicht nur die geschickte Ausnutzung des Grundstücks - so bleibt Platz für die Bank. Der unscharfe Umgang mit anderen historischen typologischen Begriffen lässt das vermuten.

Der "5-geschossige solitärhafte Baukörper, der durchaus als Zeichen zum Park wirken soll ... entspricht dem Bautyp eines Palazzo". Das tut er, obwohl er einen Lichthof besitzt, eigentlich nicht. Ein Turm ist ein Turm, ein Palazzo ein eher breit gelagerter Hofbau mit vier Flügeln und wenigstens einer monumentalen palastähnlichen Front. Der hohe Rizzi-Bau, der sich oben kubisch zurückstuft, entspricht dem Typus des Geschlechterturms, dem anspruchsvollen Zeichen italienischer Patrizierfamilien.

Genauso wenig trifft die Definition des riegelhaften Baukörpers, der in sechs Einheiten gegliedert ist. "Diese Konfiguration entspricht typologisch den Braunschweiger Kemenaten." Die Braunschweiger Kemenaten aber entsprechen viel eher kleinen massiven Türmen, die feuersicher und geschützt waren. Sie standen meist versteckt hinter den Fachwerkbauten, erst der Krieg hat sie freigebombt, wie die Kemenate an der Hagenbrücke. Und nie traten sie in Gruppen auf.

Das durchschaubare Anbiedern durch pseudo-historische Bezüge wird ergänzt durch Hinweise zur Originalität des Vorhabens, das nämlich Fassaden und Raumkonzeptionen "auch in der Bautechnik und den eingesetzten Materialien ein Novum" darstellen. Siebbedruckte Glasmembranen sind nicht erst seit Nouvels Berliner Warenhaus Mode und man sieht sie im Augenblick überall. Schliesslich werden die leuchtenden Pop-Farben mit den Architekturvisionen der "20er" Jahre verglichen. Schade nur, dass Bruno Tauts Kristallutopien einer transparenten demokratischen Architektur aus der Vorkriegszeit stammen. 1914 baute Taut auf der Kölner Werkbund-Ausstellung seinen berühmten Glaspavillon - die zwanziger Jahre dagegen waren ziemlich weiss - kleinliche Einwände vielleicht, wenn man so weltbewegendes vorhat?

Skizzen
Originales
A. Gaudi (casa battló, 1905).
H. Härtling (Gut Garkau, 1922).
H. Scharoun (Philharmonie, 1956).
 
F.O. Gehry (Vitra Verwaltung, 1991).
D. Libeskind (Between the lines, 1998).
Hundertwasser (Kunsthaus, 1980).
 

Was also ist die eigentliche Architekturhaltung des Rizzi Hauses? Die Grundrisse zeigen Schachteln mit willkürlich schräg gestellten Wänden, ohne dass wirklich neue anti-klassische Raumfolgen entstehen, Gaudi schuf organische Grundrisse in Erinnerung an die düstere Sakralität von Höhlen und Katakombe. Hugo Häring begründete Ähnliches mit konsequenter Funktionalität. Scharouns fliessende Räume sind von Schiffsbau und Dynamik inspiriert und Rudolf Steiner meinte, menschliche Architektur habe antropomorphe Formen zu haben, schräge Winkel und wie Schädeldächer gewölbte Decken. Selbst Hundertwasser, und irgendwie kommen die Baukörper und Fassaden des Rizzi Hauses wie reduzierte Hundertwasser daher, stellt sich in eine Tradition. Es ist die, der durch Mosaik immateriell erscheinenden Wände, die von Byzanz aus mit den Mauren nach Spanien und also zu Gaudi gelangten und über Venedig, das die Österreicher einige Zeit beherrschten, in den Wiener Jugendstil. Klimts dekorative Gemälde als Bauwerke, aber nicht nur das, denn Hundertwasser verfasste ein Manifest gegen die "Unmenschlichkeit" der Geraden und des rechten Winkels. Das ist in sich schlüssig und hat Stil.

Man muss, weil sich die Herleitungen und Begründungen des Rizzi Hauses als oberflächlich entpuppen, sie als "Werbelyrik" begreifen, flotte Diktion, deren Inhalt von keinem recht ernst genommen werden soll. Das "Projetkteam", auch so ein modischer Begriff der geballte kreative Kraft andeuten soll, hilft uns bei der Suche nach der architektonischen Grundhaltung auch nicht weiter. Personen und Vorleben lassen nicht ahnen, dass sie sich einmal dransetzen würden, von Braunschweig aus die Architektur zu revolutionieren.

Bleibt also James Rizzi selbst. Er ist 1950 geboren und hat in Florida studiert und erscheint vor allem immer "happy" zu sein, deshalb auch "Happy Rizzi House". Genau betrachtet ist Rizzi ein durchaus liebenswerter Werbegrafiker. Er wirbt nicht für ein Produkt, er wirbt für eine Stimmung, für das Gefühl vom lebenslustigen quirligen Grossstadtleben. Für New York, das nicht nur so ist, aber eben die Aspekte hat, den ständigen Übermut, so überschwenglich, daß selbst die Häuser tanzen. Das ist o.k. als jugendfrische Corporate Identity einer Generation, die sich, so möchte man meinen, durch ständige Bewegung über die nicht einfachen Zeiten rettet.

Selbst das mag zu weit gegriffen sein und wird James Rizzi und seinen harmlosen Zeichnungen nicht gerecht. Er ist kein Vertreter der Pop-Art, die wenigstens versuchte, Fetische der Konsumwelt zu ironisieren, sie manchmal nur vergrösserte, von der Kritik an der Werbegrafik selbst Werbegrafik wurde und Rizzi, der liebenswert bescheiden über sich berichtet, hält es für ein Kompliment, mit Keith Haring verglichen zu werden. Er will also nicht mehr sein, als ein Comic-Zeichner. In seinen lustigen Kindergeschichten besitzen die Häuser Gesichter und lachen. Es einmal mit wirklichen Häusern zu versuchen, mag für ihn ein interessantes Projekt sein - nichts dagegen - aber auch heitere Kunst muss ernsthaft geplant sein. Hier in Braunschweig ist er unter die Wölfe geraten, am falschen Ort zu fragwürdigem Zweck werden seine optimistischen Intentionen überfordert.


 

Inhalt | Der Schluss: Möglichkeiten und Moral

 

1999 Richard Borek Stiftung, Theodor-Heuss-Strasse 7, 38090 Braunschweig.
Die 28-seitige Broschüre ist für 2 Mark Schutzgebühr bei Borek am Dom erhältlich.

Magniviertel www.magniviertel.de