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Cord Machens: "James Rizzi in Braunschweig - Glücksfall oder Fehlbesetzung"

Braunschweig

Pentapolis

Braunschweigs Entwicklung von Siedlungskernen zur Stadt, von der Hansestadt zur Residenz, also von gefährdeter Wehrhaftigkeit zum Stadtkunstwerk ist kompliziert und durchschaubar, einmalig und typisch zugleich.

Einiges vor der Jahrtausendwende entsteht an strategisch günstiger Stelle bei einer Okerfurt der alten Ost-West-Verbindung, die im Westfälischen noch Hellweg heisst und als Bundesstrasse 1 Aachen mit Berlin verbindet ein Burganlage im Zuge der ottonischen Oker-Schunter-Befestigungen. Die wirtschaftliche Grundlage bildet ein Herrendorf das älter ist als die Magnikirche, die 103-1 erstmals erwähnt wird. Dieser zweite Nukleus, Brunos Wiek, später Brunesguik, gibt der Gesamtstadt seinen Namen. Als Drittes kommt ein Handelsplatz hinzu, am Eiermarkt, dort wo sich die Ost-West-Strasse mit der Salzstrasse trifft, die von der Ostsee über Lüneburg nach Frankfurt und Mainz führt. Zum Glück ist die Oker bis zum Köppenberg schiffbar. An ihm entspringt auch ein kleiner Bach, der zwischen Friesenstrasse und Bohlweg nach Norden zieht, also mitten durch das spätere Schlossgelände: Eine feuchte unfruchtbare Brache zwischen Herrendorf, Burg und Ägidienhügel. Das ändert sich auch nicht, als Heinrich der Löwe die heterogenen Anfänge zur Stadt arrondiert: Der Marktflecken, um Altstadt- und Kohlmarkt ergänzt wird zum Nord-Süd orientierten Oval: Rechts der Oker entsteht in trockengelegten Niederungen der Hagen, ein rationales Dreieck der Neustadt mit Wollmarkt und Andreaskirche. Die Burg selbst wird mit Dom, Palas, Löwenstein und Adelshöfen zu einer "Landespfalz" ausgebaut, in offensichtlicher Konkurrenz zu kaiserlicher Macht.

Das alles bekommt Watt und Graben, allerdings bleiben Altewiek und Ägidienkloster einstweilen draussen vor und "unser" Gelände ist Niemandsland, nun im Zwickel zwischen Altewiek und neuer Stadt. Erst als der Hagen nach Osten erweitert und die Altewiek bis zur Oker gewachsen ist, werden sie und das Kloster nach 1200 in eine neue Befestigung aufgenommen - jetzt scheint der Stadtgrundriss vollendet. Nach innen entsteht vor der Burg der Sack als fünftes Weichbild, und damit ist die Pentapolis auch verfassungsmässig komplett. Die Weichbilde besitzen mit eigenen Pfarrkirchen und Rathäusern föderale Selbständigkeit und einen gemeinsamen Rat.

Lagepläne
Grundrissformen
Radeklint (Mittelalter 1400), Gieselerwall (Barock 1700).
Löwenwall (Klassizismus 1820), Winterplan (1900).

Der Schlossplatzbezirk gehört nun, die inneren Wasserläufe sind etwas nach Süden verschoben, zum Hagen. Dort, wo die raster-städtische Struktur endet und von der Alten Wiek durch den Wendenmühlengraben getrennt, besassen die Tempter, der Deutschritterorden und die "Grauen Mönche" aus Riddagshausen Höfe, Lehen für den welfentreuen Klerus. Deshalb blieb dieses Gelände auch, nachdem die Herzöge ihre Residenz nach Wolfenbüttel verlegen mussten, unberührt von der Entwicklung der Hansestadt und rückte erst wieder, Jahrhunderte vernachlässigt und gleichsam exterritorial, ins Interesse, nachdem die Herzöge 1671 ihre Stadt zurückeroberten. Aber noch musste die Stadt im neuesten Stil befestigt werden. 1692 beginnt der Bau einer barocken Wallanlage im Vaubanschen System. Nach 400 Jahren Interregnum - aus der Sicht der Herzöge gesehen - vollenden sie die im Grundriss kunstvoll gefügte Stadt auch im Aufriss. Der geometrisch ausgeklügelte Kranz aus Bastionen, niederen Ravelins und flachen, ebenfalls dreieckigen Plateaus strahlt gleichsam von der Stadt aus, setzt sie auf einen hohen, vielfach gestuften Sockel über dem die Dachlandschaft der Bürgerhäuser von den zahlreichen Kirchentürmen bekrönt wird. Nie ist der topographische, politische und kulturelle Gegensatz von Stadt und Land so stolz demonstriert, so zum Bild gemacht worden wie im 18. Jahrhundert.

Als die Wälle unter Napoleon geschleift werden müssen, geschieht das wieder mit städtebaulicher Ambition. Peter Joseph Krahe nutzt die militärische Topographie für eine Folge von Promenaden, Plätzen und Partien englischer Landschaftsgärten. Der Gegensatz von Stadt und Land ist gelockert und in die Stadt zieht die Idee der Landschaft ein. Ihr kunstvoller Ring schützt nicht mehr die Stadt, er ziert sie. Doch noch vor dieser Präsentation von Romantik und Klassizismus und parallel zum Bau der barocken Wälle, hatte sich der Herzog auch im Inneren den Bürgern stellen müssen - städtebaulich sozusagen.


 

Inhalt | Braunschweig: Die Schlösser

 

1999 Richard Borek Stiftung, Theodor-Heuss-Strasse 7, 38090 Braunschweig.
Die 28-seitige Broschüre ist für 2 Mark Schutzgebühr bei Borek am Dom erhältlich.

Magniviertel www.magniviertel.de